Warum der Tag der offenen Tür des Betonsteinwerks dann doch noch ein voller Erfolg wurde
Krause Gedanken von Volker Pöhls
So vieles wird einfach nicht konsequent zu Ende gedacht. Man bleibt bei den Ansätzen stehen und damit hat sichs dann. Dabei lassen sich viele schöne Ideen wunderbar ausbauen. Ich gebe mal ein Beispiel.
Der Wackeldackel im Heckfenster eines Autos ist eine schöne Idee. Nur bei dieser schönen Idee muß es doch nicht bleiben! Neulich sah ich einen Wackel-Elch mit einem schönen Geweih, der mir aus dem Autofenster zunickte. Eine nette Weiterentwicklung, wie ich finde.
Versuchen wir einmal, diesen Ansatz auf ein anderes Phänomen zu übertragen. Ihr kennt doch sicher alle diese Auto-Aufkleber "ABI 2000". Diese Sticker sind schon ein regelrechter Brauch geworden. (Merkwürdig ist nur, daß es anscheinend keine fertigen Aufkleber zu kaufen gibt. Hallo Stickerproduzenten! Aufwachen!) Da will uns also jemand mitteilen, daß er in diesem Jahr sein Abitur geschafft hat. Es steckt aber noch etwas mehr dahinter. Der junge Autofahrer möchte in aller Bescheidenheit darauf aufmerksam machen, daß er zur geistigen Elite gehört, daß er was Besseres ist als z.B. ein Hauptschüler. Höre ich da vereinzelte empörte Protestrufe? Gut, dann überzeugt mich vom Gegenteil. Als Indiz dafür, daß ich völlig falsch liege, würde ich folgende Autoaufkleber gelten lassen: "HAUPTSCHULABSCHLUSS 2000" oder "MITTLERE REIFE 2000". Tut mir leid, boys and girls, solche Aufkleber muß ich bisher immer übersehen haben.
Kommen wir jetzt zum Weiterdenken, zur Weiterentwicklung dieser Idee. In Hamburg-Volksdorf, einem nicht unelitärem Stadtteil, sah ich neulich, daß sich jemand etwas Ähnliches wie "ABI 2000" aufs Auto geklebt hatte. Nur hatte er kein "B" genommen, sondern ein "S", so daß dort - gekonnt dilettantisch geklebt - stand "ASI 2000". "ASI" wie "Asozialer", das ist ein phantastische Antwort auf das großkotzige "ABI 2000". Überlegen wir, welche Alternativen es noch für einen gelungenen Konter gäbe:
SITZENGEBLIEBEN 2000
ABGEBROCHENE LEHRE 2000
JODELDIPLOM 2000
Aber man müßte sich ja nicht auf Leistungen beschränken, die etwas mit der Ausbildung zu tun haben. Man könnte auch wie folgt mit seinen Errungenschaften prahlen:
SCHEIDUNG 2000
3. ABTREIBUNG 2000
NEGER TOTGETRETEN 2000
Das Leben kann so bunt sein, wenn man seiner Phantasie nur ein wenig die Sporen gibt. Im übrigen sollte man Günther, dem Grasigen, den heißen Tipp geben, folgendes auf seinen Golfkarren zu pappen.
NOBELPREIS 1999
Mein Sohn will Erfinder werden, wenn er groß ist. Das ist sehr löblich, denn es gibt ja noch sooo viel, was noch nicht erfunden worden ist. Wenn es nach mir ginge, sollte er z.B. ein Nasenkraftwerk erfinden. Mit Nasenkraftwerk meine ich folgendes: Wir alle haben doch schon einmal geniest und wissen, was für ungeheure Energien dabei freigesetzt und verschwendet werden. Diese Energien gilt es, mit Hilfe eines Nasenkraftwerks einzufangen. Ich denke da an winzige Nasenturbinen, die von dem enormen Luftdruck, der sich beim Niesen aufbaut, angetrieben werden. Ob sich mit einem Nasenkraftwerk oder entsprechenden Kraftwerken für diverse andere Körperöffnungen die Energieprobleme der Menschheit lösen lassen, das soll mein Sohn entscheiden, denn der soll ja schließlich als Erfinder auch noch seine eigenen Ideen in das Projekt einfließen lassen.
Neulich habe ich das Buch "Crazy" von Benjamin Lebert gelesen. Der Inhalt war ausgesprochen uncrazy, aber wenn man das Buch "Normal" genannt hätte, dann hätte es mit Sicherheit kein Schwanz gekauft. Es dauerte nicht lange, bis das Buch verfilmt wurde. Der Zufall wollte es, daß ich irgendwann ein Interview mit Benjamin Lebert las, das anläßlich des Films geführt worden war. Darin wurde Benjamin L. gefragt, wie es denn in seiner Schulzeit mit dem KEKSWICHSEN gewesen sei, eine wichtige Szene des Films offenbar. Das war für mich einer der Momente, wo man für eine Zehntelsekunde oder zwei an seiner geistigen Verfassung zweifelt. Kekswichsen? Ich konnte mich beim besten Willen an keine Zeile des Buches erinnern, die auch nur entfernt etwas mit Kekswichsen zu tun hatte. Die Antwort von Benjamin L. fiel auch merkwürdig verdruckst aus, aber ich fand schnell mein inneres Gleichgewicht wieder und vergaß die Angelegenheit. Vor kurzem holte ich mir das Buch "Tagebuch eines Arschlochs" von Norbert Bogdon und schlenderte so nichts Böses ahnend durch zig Seiten vollgepackt mit Banalitäten, als sich plötzlich diese Passage in meine Netzhaut bohrte:
"Dabei erzählte er mir von einem Spielchen, das er und seine Freunde ab und an getrieben hätten. Dabei stellten die sich im Kreis auf und in die Mitte kam ein Keks. Dann fingen alle an zu wichsen, und der Abgang wurde auf den Keks gelenkt. Und wer zuletzt fertig wurde, hatte den Keks zu essen." (S. 110 f.)
Da war es also wieder, das gute alte Kekswichsen. Und bevor ich weiterschreiben kann, unterbricht mich von hinten, von den ganz billigen Plätzen irgendein Schlauberger und lallt mich voll, ohne Punkt und Komma, ich möge mich doch bittesehr vor vorschnellen Schlüssen hüten. Es sei keinesfalls erwiesen, daß der Drehbuchschröpel ein fades Buch als Grundlage, als Sättigungsbeilage quasi, genommen habe und zum Aufpeppen des faden Geschmacks eine Messerspitze Kekswichsen aus einem anderen faden Buch untergequirlt habe. Es sei außerdem böswillig, dem Jungautor Benjamin L. vorzuwerfen, warum er in jenem Interview nicht die Hose heruntergelassen habe und ganz leise, kaum hörbar, gesagt habe, daß er mit der ganzen Kekswichserei gar nichts zu tun habe. Ich möge doch bitteschön erst einmal beweisen, daß der alte Bogdon, das alte Arschloch, den Keks nicht aus dem Film in sein Buch gekupfert hätte und nicht umgekehrt! Muß ich mir solche Pöbeleien aus den hintersten Rängen eigentlich bieten lassen? Der soll sich doch meinetwegen in eine dunkle Ecke zurückziehen, sich einen Keks nehmen und machen, was er will, aber mich gefälligst in Ruhe lassen.
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