Vorbemerkung:
Axel Brauns' Buch trägt den Untertitel
"Mein Leben in einer anderen Welt"
Die Welt seiner Kindheit und Jugend war Hamburgs Stadtteil Groß Flottbek.
Er sah sie aus kindlich/jugendlicher Perspektive. Und er sah sie aus der Sicht eines
Autisten mit Asperger Syndrom.
Wir wollen sie uns zu Fuß erwandern und uns ein eigenes Bild von ihr machen,
so dass wir uns besser vorstellen können, wo er gelebt hat. Dies ist möglich, da sich
seit den Sechzigerjahren in dieser Gegend nicht so viel verändert hat.
Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Taschenbuchausgabe.
Hervorragende Stadtplan-Karten findet man bei maps.google.de:
- Mit gedrückter Maustaste können Sie den Kartenausschnitt hin- und herschieben.
- Auf der linken Bildschirmseite (oder per Mausrad) können Sie zoomen.
- Drucken Sie sich Stadtplan-Ausschnitte über den Drucken-Button aus!
Anreise:
Hamburg
Mit der S-Bahn (S1 oder S11) Richtung Blankenese
zum S-Bahnhof Othmarschen
Mit dem Bus Linie 1 oder Linie 186 zur Station "Flottbeker Drift"
Hier findet man einen
Plan der Hamburger Bahnen.
Hier gibt es Fahrpläne.
1. Etappe:
Vorbeckweg und Umgebung
Biegt man vom Osdorfer Weg in die Notkestraße ein, dann ist
die erste Nebenstraße auf der linken Seite der Vorbeckweg,
in der sich Axel Brauns' Elternhaus befand.
"Zehn Viererreihen von Hofhäusern bildeten auf der östlichen Seite des Vorbeckweges hübsch
ordentlich eine Siedlung. Die elfte Reihe fehlte, was zwei Dutzend Kinder freudig begrüßten. Ein
Spielplatz hatte es sich in der Mitte der Siedlung gemütlich gemacht." (S. 13)
"Für einen Augenblick nahm ich dieses dreigute Gelände wieder in Besitz: die Kiefern
an der Mauer, die winzige Fußballwiese, das hingekauerte Klettergerüst, der backsteinummauerte
Hagebuttenstreifen, die Stufen des Treppleins, wo ich bei der Vorbeckiade beinah ins Straucheln
geraten wäre, die allgegenwärtigen weißen Mauern der Atriumbungalows." (S. 330)
Die Hofhausreihen-Bungalows stehen heute noch.
Das Hofhaus hatte einen "Garten" (S. 17) mit "Mauer" (S.17), einen "Keller" (S. 18). Wenn man in maps.google weit heranzoomt,
kann man die Innenhöfe der Hofhäuser, die Garagenzeilen und die Fußballplätze erkennen.
Das Buntschatten-Buch trägt die Widmung "Für das Hofhaus, meine Mutter und meinen Bruder" Man beachte die Reihenfolge!
"Die Steinplatten der Hofhausreihe begrüßten mich so geordnet, wie ich es schöner nicht kannte.
Auf keine der Fugen durfte ich treten und ich gab Acht. Klackklack. Lang war die Hofhausreihe und
wolkenweiß. Jeder Schritt in eines der sonnenbestäubten Steinvierecke gab mir Sicherheit.
Klackklack. (...) Unten an der Reihe schwenkten die Haha und der Heimer nach links. Klackklack.
Weit war es nicht mehr zur Sandkiste." (S. 18)
Einen Spielplatz mit Schaukel und Sankiste gibt es auch heute noch auf der Ostseite des
Vorbeckwegs, der mit dem Schild "privat" ungebetene Besucher vergrault.
Gegenüber befinden sich Reihen von Garagen. Der "Garagenplatz" (S. 95), wo das
"pflaumenblaue Auto" geparkt wurde, wird auch im Buch genannt.
"Wie immer nahm ich die Abkürzung über den Spielplatz. Im Maschendrahtzaun klaffte ein Loch,
durch das ich schlüpfte. Am großen Spielfeld vorbei schlenderte ich zum Klubhaus der GFSV.
Gerne spielte ich Fußball auf dem weiten Spielfeld." (S. 192f.)
Der Sportplatz Wilhelmshöhe der Groß Flottbeker Spielvereinigung
ist auf der Karte eingezeichnet.
Folgt man dem Vorbeckweg in nördlicher Richtung, so stößt man nach einer Kurve auf die
Straße "Flottbeker Drift". Am Ende der Flottbeker Drift stößt man auf den Zaun
zum Gelände des DESY
"Weißt du, was DESY heißt?" "So heißt das Hochhaus oben an der kleinen Eiche."
"Das ist nur das Gästehaus. DESY heißt Deutsches Geräuschgeräusch."
"Kannst du das wiederholen?"
"Deutsches Geräuschgeräusch." Da war nichts zu machen. Es gab nette Wörter und es gab weniger nette Wörter.
DESY war kein nettes Wort. (S. 143)
In Axel Brauns' Kindheit nahm das Gelände des DESY noch nicht so viel Platz ein wie heute.
Ein Fußweg geht am Ende der Flottbeker Drift links ab. Er führt am Friedhof vorbei, auf dem
Axel Brauns Oma (S. 93f.) und Opa (S. 279) begraben wurden. Wir wandern noch ein Stück weiter
in den Lise-Meitner-Park (der eventuell bald den Expansionsplänen des DESY zum Opfer fallen wird).
Die Hügel dort wurden von Axel und den anderen Kindern "Spitzbergen" (S.134) und
"Himmelsberg" (S. 206) genannt. Einer der Teiche ist der Ententeich bei Spitzbergen, wo Axel
im Winter Frank rettete, der ins Eis eingebrochen war (S. 245-7). Wir setzen uns auf eine Bank.
Die Nähe des Friedhofs bietet sich dazu an, über Axel Brauns Unfähigkeit, über den Tod seines
Vaters zu trauern (Axel ist 14 Jahre alt), nachzudenken:
"Zurück im Hofhaus machte die Haha einen Vorschlag: "Es ist besser, wenn wir uns noch ein wenig
hinlegen." Wortlos zog ich mich in mein Zimmer zurück. Ich durfte am Vormittag wieder unter die
Bettdecke schlüpfen! Das war sonst nur erlaubt, wenn eine Krankheit mit mir Freundschaft schloss.
Zufrieden kuschelte ich mich unter die flauschige Bettdecke und blinzelte ins Zwielicht. Ich fand
es ungerecht, dass ich immer von allem ausgeschlossen wurde. Die Buntschatten verhielten sich
derart schleierhaft, dass ich nie durchblickte. Warum waren die Haha und der Heimer traurig?
Nur weil sich der Dachs kurz nach Mitternacht entschlossen hatte, auf den Friedhof umzuziehen?
Ohne ihre Hilfe wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, an einem solchen Tag zu weinen. Trotzig
versuchte ich, ein paar Tränen zu vergießen. Ohne Erfolg. Vielleicht musste ich zuerst wimmern?
Der Gedanke gefiel mir. Ich schluchzte einige Minuten in meine Kopfkissen. Es wurmte mich, dass
meine Augen nicht tränten und ich bei einer so einfachen Aufgabe versagte." (S. 226f.)
2. Etappe:
Zur Grundschule Windmühlenweg
Wir begleiten den kleinen Axel auf seinem täglichen Weg zu seiner Grundschule.
Abwärts führte der Weg. Ich trudelte den Vorbeckweg hinunter, hüpfte rechts über die kleine
Wiese und schlenderte ein kurzes Stück die Notkestraße hinab. (...) Bei den Ampeln an der
Osdorfer Landstraße kuckte ich so lange, bis sich das grüne Männchen hervortraute. Ich durfte
nicht in der Nordsee ertrinken und ich durfte nicht auf derStraße überfahren werden. Das
war wichtig. Ich spazierte in die Seestraße hinein. (...) Bevor ich meinem alten Kindergarten
Guten Tag sagen konnte, schwenkte ich nach rechts. (...) Ich spazierte den steilen
Windmühlenstieg hinauf. Oben begrüßte mich die Grundschule Windmühlenweg. Schultüte - Schultüte -
Schultüte. (S. 79)
AUFGABE: Erkundigen Sie sich nach Vergangenheit und Gegenwart von Windmühlen in Flottbek!
AUFGABE: Lesen Sie die Beschreibung von Axels erstem Schultag (S. 78f.)!
Einen halben Film verschoss die Haha:
- vor dem Eingang der Schule
- auf dem Parkplatz der Schule
- auf dem Schulhof
- vor dem Flachbau der Erstklässler
- im Klassenzimmer mit Frau Franke
(S. 78f.)
3. Etappe:
Zum Kindergarten Seestraße und zurück zur Notkestraße
Wir gehen den Windmühlenweg nach Süden (also nach links, wenn man vor der Schule steht).
Dann biegen wir nach links in die Straße Röbbek ein und finden an der Ecke den Kindergarten Seestraße.
Zweimal in der Woche brachte mich die Haha vormittags in den Kindergarten. (S. 53)
"Das pflaumenblaue Auto rollte die Seestraße herunter und hielt am Kindergarten. (...)
Bald strudelte der Fahrtwind durch meine Finger und bauschte meinen Ärmel.
Weißt du, wie die kleine Straße hier heißt?
Röbbek.
Und welche Straßen kommen dann?
Groß Flottbeker Straße
Osdorfer Landstraße
Urnenfeld
Notkestraße
Vorbeckweg
Alle Buntschatten hatten Namen, alle Straßen hatten Namen. Buntschatten waren nett, Straßen
waren nett. Ich mochte das Straßenspiel, das die Haha oft mit mir spielte." (S.72)
Jetzt spielen wir das Straßenspiel nach, indem wir Axel durch die
Straßen zurück zur Notkestraße folgen. (Am Osdorfer Weg haben wir bei Discountern oder Tankstellen
Gelegenheit, Proviant zu fassen)
Südlich des Osdorfer Weges machen wir eine Pause.
AUFGABE: In der Pause lesen wir, wie Axel Brauns seinen ersten Tag im
Kindergarten erlebte: "Die Haha verwickelte mich in ein Gespräch. Eines ihrer Worte
Kindergarten, gewann nur mühsam Klang. (...) (S.40 Mitte - S. 42 Mitte)
AUFGABE: In Buntschatten und Fledermäuse ist mehrfach die Rede vom "Groß Flottbeker
Marktplatz" oder "Flottbeker Markt". Wo sind diese Textstellen? Wo befindet sich dieser Platz
(der auf der Straßenkarte ja nicht namentlich genannt ist)?
4. Etappe:
Durch die Siedlung Steenkamp zur ehemaligen Schleeschule Osdorfer Weg
Wenn wir wieder zur Notkestraße gelangt sind, begleiten wir Axel Brauns und die Buntschattenkinder aus seiner Straße auf ihrem
Weg zur Turnhalle in der Wichmannstraße:
"Am Spielplatz sammelten sich die Buntschattenkinder. Die älteren von ihnen kannten den Weg.
Es ging den Vorbeckweg hinab. An der Notkestraße schwenkte die Schar
nach links, Richtung Trabrennbahn. (...) Vergnügt ging ich neben den Buntschattenkindern. Ich fragte Peter: "Was
heißt GFSV?""Groß Flottbeker Spielvereinigung. Und hier spielen wir im Sommer Fußball." Peter
zeigte auf das Schild "Sportplatz Wilhelmshöh". Da war also der Eingang zu den Fußballplätzen
neben dem Hofhaus. "Und wo gehen wir jetzt hin?" "Zur Turnhalle Wichmannstraße."
Die Straße kannte ich noch nicht. Ich freute mich über das prachtvolle Schild, das vor mir auftauchte:
Zum Hünengrab. Gleich danach kam die Osteresch. Weit unten in der
Straße wohnte das Flötenhaus (...) Welche Straße kommt als Nächstes?", wollte ich wissen. (...)
Es brauchte zwei, drei Wiederholungen, bis der nächste Name Klang fand: Hochfeld.
(...) Ungeduldig schaute Peter zum nächsten Straßenschild, dessen Schrift tropfenverwischt
auftauchte: Im Hag. (...) Steenkamp stand auf dem nächsten Schild. (...) Als wir die niedliche
Seitenstraße Stutsmoor überquerten, fing Peter an, vor sich hin zu trällern: "Bökentwiete -
Bökentwiete - Bökentwiete." (...) Rosenwinkel stand auf dem nächsten Straßenschild. Weiter vorne
erblickte ich den Einschnitt der nächsten Straße. War das die Bökentwiete? Ich konnte es kaum
erwarten, das prachtvolle Straßenschild zu erblicken. Peter rannte los, blieb vor dem Schild
stehen und jubelte: "Bökentwiete!" (S. 109f.)"
Rund um den Steenkamp befindet sich die älteste Siedlung der SAGA, die nicht nur preiswerten
Wohnraum schaffen, sondern den Sinn für Wohnkultur wecken wollte.
Die Steenkamp-Siedlung mit ihren beige-gelben Ein- und Mehrfamilienhäusern
in Reihenhausform wurde von 1914-1926 gebaut.
Einige Links:
- Eine Seite zur Bedeutung der
Straßennamen
- Geschichte
der Steenkamp-Siedlung
- Einge Bilder mit
typischen Stilelementen der Steenkampsiedlung
- Der Beitrag des Altonaer Bausenators
Gustav Oelsner
Durch die Bökentwiete könnte man zur Wichmannstraße gehen und nach
der Turnhalle (S. 109, S. 110) suchen.
Sie können aber auch durch den Bökenkamp, Steenkamp und
Sievertstraße Richtung ehemalige Schleeschule gehen.
AUFGABE: Machen
Sie Pause an den romantischsten Ecken und lesen folgende Passagen aus "Buntschatten":
- Axels einsame Wanderungen über den Schulhof (S. 284)
- Wie Axel im Abi-Heftlein vergessen wurde (S. 331)
Wir überqueren den Osdorfer Weg und stehen vor dem ehemaligen Gymnasium
Schleeschule, die jetzt
eine Handelsschule ist und Besucher mit unfreundlichen Schildern à la "Betreten für Unbefugte verboten"
abschreckt. Sie können ja trotzdem versuchen, einen Blick auf das "niedrige Metalltor" (S. 267),
den "nördlichen Eingang der Schleeschule" (S. 267), "Goldfischteich" (S. 284, 302, 306, 30ß7, 309),
"Pausenhalle", "Schulhof", "Flachbauten am südlichen Rand" (S. 252) zu erhaschen.
Von hier aus geht es per Bus oder pedes zurück zum S-Bahnhof Othmarschen. Dort bitte den
Beseler Platz und die Waitzstraße würdigen, Axels "Beseeplatz"
(S. 25,26, 37 etc.) und "Weinstraße" (S. 289).
Wenn noch Zeit ist:
Anschließende Unternehmungen
Wie Axel Brauns diese Seite findet:
Guten Tag, Herr Pöhls,
habe mit Freude Ihre Seite angesehen. Fein, dass Sie so viel zusammengetragen haben!
Sehr schön, was Sie da gemacht haben! Bei der Niederschrift habe ich immer daran gedacht, ob er mir
so gut gerät, dass der eine oder andere Leser Lust auf eine Stadtteilerkundung hat. Und siehe da: Ziel erreicht.
Herzliche Grüße
Axel Brauns
16. November 2006
Einige Links
zu Axel Brauns
zum Thema Autismus
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