Der erste Pferdeflüsterer

Wie schon bei Kara ben Nemsi erfolgreich geflüstert wurde ...


Quelle: Karl May, "Der Schut", Kap. 7

"(Der Schut) hatte Mühe gehabt, sich im Sattel zu erhalten, als sein Pferd zur Seite sprang, und war nun bemüht, festen Sitz zu bekommen. Jetzt galt es. Ich mußte das "Geheimniß" anwenden. Darum legte ich meinem Rappen die Hand zwischen die Ohren und rief seinen Namen "Rih!" Einen Augenblick lang war es, als ob der Hengst starr in der Luft hängen bleibe; dann ließ er ein lautes Wiehern hören und - - nun, es ist eben nicht zu beschreiben, welche rapide Schnelligkeit ein solches Pferd bei Anwendung des Geheimnisses entwickelt. Ein Anderer als ich, der ich mein Thier gewöhnt war, hätte die Augen schließen müssen, um nicht aus dem Sattel zu taumeln.

Sechzig Meter hatte ich den Schut vor mir gehabt; es wurden fünfzig, vierzig, dreißig, jetzt zwanzig Meter. Er hörte den Hufschlag meines Pferdes so nahe hinter sich, drehte sich um und schrie entsetzt:

»Allah seni dschehenneme hükm etsin ej köpek - Allah verdamme Dich in die Hölle, Du Hund!«

Er zog sein Pistol und feuerte es auf mich ab, doch ohne zu treffen. Dann schlug er den Schaft desselben dem Pferd auf den Kopf, daß es mit Anstrengung seiner letzten Kräfte wie rasend dahinflog. Vergeblich! Ich war fünfzehn Meter hinter ihm, nun nur noch zehn, jetzt sechs.

»Paß auf, Schut, jetzt hole ich Dich!« rief ich ihm zu. »Kein Mensch und kein Teufel kann Dich retten!«

Er antwortete mit einem überlauten Schrei, der fast ein Gebrüll zu nennen war. Ich glaubte, dies habe er vor Wuth gethan, und schwang die Schlingen des Lasso um den Kopf. Aber da sah ich, daß er sein Pferd zur Seite reißen wollte. Es gelang ihm nicht. Das Thier befand sich einmal im Schuß und war durch die Schläge auf den Kopf wie toll geworden. Ein zweiter Schrei, wie ihn ein Mensch nur in der höchsten Noth, im größten Entsetzen auszustoßen vermag! Was war das? Das war nicht Wuth, sondern Todesangst!

Ich nahm mein Pferd ein wenig seitwärts, um neben dem Schut, welcher grad vor mir war, hinweg sehen zu können. Gott im Himmel! Ein langer, langer und breiter dunkler Streifen zog sich quer über unsere Richtung, nicht mehr als dreißig Meter von uns entfernt - ein Spalt, ein entsetzlicher, breiter Spalt, dessen jenseitige Kante wohl zwei Ellen höher war als die diesseitige!

Vielleicht wäre es mir gelungen, mein Pferd noch abzulenken, aber bei der unsagbaren Schnelligkeit, mit welcher es dahinflog, war das Gelingen doch zweifelhaft. Grad drauf los! Das war die beste Chance.

Ich ließ die Arme mit dem Lasso sinken, nahm den Kopf des Rappen hoch, legte ihm die linke Hand abermals zwischen die Ohren und schrie, nein, ich brüllte:

»Rih, Rihti, Rihti et taijib, natt, natt, natt - Rih, mein Rih, mein guter Rih, springen, springen, springen!«

Ich war überzeugt, daß das Pferd diese in der Sprache seines Heimatlandes gesprochenen Worte verstand. Wenigstens wußte es, daß "natt" springen bedeute; es war darauf abgerichtet. Es öffnete das Maul, ließ einen tiefen, grunzenden Ton hören, von dem ich wußte, daß er ein Ausdruck der Begeisterung sei, knirschte in den Stahl des Gebisses und flog in weiten, sehnenkräftigen Bogen an dem Schut vorüber und auf die Spalte zu.

Der Schut und ich, wir hatten keine Zeit, auf einander zu achten. Jeder hatte mit sich und seinem Pferd zu thun. Aber er brüllte mir, als ich an ihm vorbeischoß, einen Fluch zu. Nun war der Spalt da. Straff die Zügel, legte ich mich weit nach vorn nieder.

»Rih, hallak, 'ali, 'ali - Rih, jetzt, hoch, hoch!« rief ich.

Mein Auge war in starrer Angst nach der gegenüberliegenden Felsenkante gerichtet. Wie breit der Spalt war, das sah ich nicht; ich fixirte nur den gegenüberliegenden Punkt, welchen ich erreichen wollte, und der über einen Meter höher lag, als derjenige, an welchem ich mich hüben befand.

Das brave, unvergleichliche Thier setzte an und schoß hoch empor. Einen halben Augenblick lang befand ich mich über der grauenhaften Tiefe. Ich ließ die Zügel schießen und warf mich nach hinten, so gefährlich und unsinnig dies auch erscheinen mag. Ich mußte das thun, um das Vordertheil des Pferdes zu entlasten und nicht abgeworfen zu werden. Hätte ich mich nicht nach hinten geworfen, so wäre ich verloren gewesen; denn trotz der Unvergleichlichkeit des Rappen und trotz der Kraft, mit welcher er sich über den Abgrund schnellte, gelang der Sprung nicht vollständig. Rih faßte nur mit den Vorderhufen das Gestein.

»'ali, 'ali!« schrie ich abermals und warf mich nach vorn, dem Pferde den Lasso, welchen ich noch in der einen Hand hielt, nach hinten unter den Bauch und zwischen die Beine schlagend. Dadurch wurde die Hinterhand entlastet. Rih hatte noch nie einen Schlag von mir erhalten. Als er den Lassohieb an dem empfindlichsten Theil seines Körpers fühlte, warf er die Hinterhufe hoch an den Bauch herauf, krümmte sich zusammen, daß der Sattelgurt zerplatzte, und - - faßte nun auch hinten Fuß. Ein gewaltiger Sprung - ich stürzte mit dem Sattel herab, und das Pferd schoß noch eine Strecke vorwärts, um dann stehen zu bleiben.

Das Alles hatte natürlich nur eine, nur zwei Sekunden gedauert. Ich raffte mich auf und blickte zurück. Da setzte eben der Rappe des Schut an. Er erreichte die diesseitige Kante nicht einmal. Ein Schrei, ein bluterstarrender Schrei, und Roß und Reiter stürzten in die Tiefe."


Quelle: Karl May, "Ruhh e sebcha"

»Allah kerihm,« rief Achmed; »er will auf das Salz!«

Ich antwortete gar nicht, denn jetzt war keine Zeit zu Worten, sondern warf meinen Hengst in dieselbe Richtung und legte ihm die Hand zwischen die Ohren:

»Rih, Rih, Rih!!!«

Das Pferd erschrak förmlich bei diesem Tone, den mir die Angst durch die Kehle trieb. Es schien den Boden gar nicht zu berühren, es hatte an meinem Rufe gehört, daß es jetzt einmal Zeit sei, ein Rih, ein Wind zu sein. Ich ahnte, daß der Krumir eine Stelle suche, an welcher ein Pfad über den Schott münde; kam Mochallah auf das Salz, so war sie verloren; ich mußte ihren Entführer also erreichen, noch ehe er am Rande der Sebcha anlangte. Es war, als würde mir die Entfernung entgegengeworfen. So sehr lang sich auch die Landzunge in den Salzsee erstreckte, sie flog zusehends zurück, aber ich kam dem Verfolgten mit jedem Sprunge meines Pferdes näher; noch zehn, noch acht, noch fünf, vier, drei Pferdelängen; jetzt nur noch eine.

Ich schwang das Lariat in der Rechten; aber den Reiter durfte ich nicht treffen, sonst wäre das kostbare Pferd verloren gewesen, welches seinen rasenden Lauf hinaus auf das Salz fortgesetzt hätte. Ich mußte die Schlinge dem Falben um den Kopf werfen. Jetzt hatte ich den Krumir erreicht.

»Halt!« rief ich.