Krause Gedanken
von Volker Pöhls
Aufkleber |
Frauen beim Autofahren |
SE-XY |
Stimmenlifting |
Rauchwaren |
Aufkleber auf der Rückseite eines Autos sind eine schöne Erfindung. Sie machen das ansonsten öde Autofahren ein klein wenig interessanter. An sich ist der Fahrer vor einem ja eine total anonyme Person. Man weiß nur, daß es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Person handelt, die über 17 Jahre alt ist, sonst weiß man so gut wie nichts. Da kann ein Aufkleber schon wichtige Aufschlüsse über die Persönlichkeit des Autobesitzers geben. Man muß ja nicht gleich seine innersten politischen Überzeugungen zu Markte tragen. Warum soll es nicht ein Aufkleber vom Heidepark in Soltau sein? Dieser Aufkleber will uns mitteilen, daß der Fahrer schon mal im Heidepark in Soltau war und daß er so total begeistert wenn nicht hingerissen war von seinem Aufenthalt im Heidepark in Soltau, daß er ein dringendes Verlangen verspürte, diese seine grenzenlose Begeisterung auch anderen Autofahrern mitzuteilen, und zwar nicht nur mal für kurze Zeit, solange dieses starke Gefühl für den Heidepark in Soltau noch frisch ist, nein, über Jahre hinaus. Denn solche Aufkleber gehen mit dem Auto praktisch eine Verbindung fürs Leben ein, so ähnlich wie Tätowierungen, die man auch lebenslänglich nicht mehr loswird. Versuchen Sie mal einen Aufkleber vom Auto zu entfernen, ohne den kostbaren Lack zu beschädigen. Aber so ist das mit Leuten, die frisch und hoffnungslos in den Heidepark in Soltau verliebt sind und diese ihre Liebe auch nach außen tragen möchten, und dann in der Hitze der Leidenschaft zum Aufkleber greifen. Also, liebe Leser, überlegt es Euch dreimal, bevor Ihr Euch im Affekt zu einer solchen Tat hinreißen laßt und es vielleicht schon nach dreieinhalb Tagen bitter bereut. Vielleicht wäre es da doch besser, wenn man eine solche weitreichende Entscheidung lieber noch einmal überschlafen würde. Andererseits soll es ja durchaus Menschen geben, die jahrelang unablässig für den Heidepark in Soltau mehr schwärmen als für alles andere auf der großen, weiten Welt. Und warum sollten solche interessanten Mitbürger dieses nicht auch klipp und klar mit Hilfe eines Stickers zum Ausdruck bringen.
Daß Frauen anders sind als Männer, dürfte unstrittig sein. Daß Frauen anders Autofahren als Männer, werden auch die meisten widerspruchlos akzeptieren. Merkwürdig ist jedoch das Phänomen, daß Frauen sich beim Autofahren in die Kurve legen. Angenommen, vor Ihnen fährt ein Auto. Es kommt eine scharfe Kurve. Die Fahrerin lehnt sich in die Kurve. Das sieht man daran, daß die Silhouette ihres Kopfes in die Mitte des Autos zwischen den beiden Sitzen wandert. Natürlich könnte es auch ein Mann sein, das sieht man ja von hinten nicht genau. Aber ich versichere Ihnen, es ist eine Frau. Ob es genetisch bedingt ist, keine Ahnung. Aber Frauen neigen dazu, das ist Fakt. Man fragt sich als kritischer Mitbürger, was das soll. Eine Hypothese wäre die, daß Frauen ihrem Auto nicht trauen. Sie glauben, das Auto habe den Elchtest nur mit Schummelei bestanden und sie müßten beim Kurvenfahren ein Umkippen des Wagens verhindern. Diese weibliche Annahme wird erstens wohl kaum der Wahrheit entsprechen. Zweitens ist äußerst zweifelhaft, ob Frauchen nur mit der Verlagerung ihres zarten Oberkörpers ein Umkippen eines tonnenschweren Fahrzeuges auch nur minimal beeinflussen können. Aber vielleicht ist die Erklärung ja eine ganz andere. Vielleicht befürchten die Frauen, daß die Fliehkraft ihren Luxuskörper sonst durch die Tür nach draußen schleudern würde.
Segeberger bzw. Menschen aus dem Segeberger Umland scheinen etwas ganz Besonderes zu sein: Wie andere unter Waschzwang leiden, so leiden sie an der Zwangsvorstellung, a) witzisch und b) originell sein zu müssen und diese ihre Zwangsvorstellung auf ihren Auto-Nummernschildern offen zur Schau stellen zu müssen. Jedem Segeberger Schildbürger fällt nämlich auf dem Weg zur Zulassungsstelle spontan ein, daß man mit dem Kennzeichen SE für Segeberg ja ganz freche und fast schon verbotene Worte basteln kann. Kurz vor der Zulassungsstelle fällt ihnen dann ein, daß die witzischte Wort-Kreation überhaupt SE-XY oder SE-X ist. Deswegen sieht man am Eingang zur Segeberger Zulassungsstelle auch so viele Leute, die heimlich in sich hineingniggern und sich kaum noch halten können. Am Schalter der Zulassungsstelle haben sie dann meist schon einen ganz roten Kopf und müssen erst zweimal Anlauf nehmen, bevor sie der Tussi hinterm Schalter ihre Kopfgeburt entgegenschleudern. Dann folgt leider immer eine kleine Enttäuschung, dort am Schalter der Segeberger Zulassungsstelle. Zunächst sind die Segeberger Kreativen etwas überrascht, daß die Dame hinterm Schalter ihrerseits erstaunlicherweise keine Spur euphorisch auf den Kennzeichen-Wunsch reagiert. Sie können ja nicht ahnen, daß Tag für Tag Dutzende, wenn nicht Hunderte von findigen Segebergern auf dem Weg zur Zulassungsstelle schwer am Tüfteln sind und auf die super Idee mit dem SE-XY kommen. Die Angestellten der Segeberger Zulassungsstelle besuchen inzwischen externe Seminare in Bad Lauterberg, in denen ein angegrauter Unternehmensberater ihnen beibringt, wie man mit solchen Nummernschilderwünschen fertigwird. Schon vor der ersten Kaffeepause lernen sie, daß die Zahl der SE-XY und SE-X Schilder begrenzt ist und wie man andeutet, gegen welches diskrete Geschenk eventuell möglicherweise doch noch irgendwo eine solche Kostbarkeit aufzutreiben ist, die eigentlich nur noch einigen wenigen Segeberger Nachtclubbesitzern überlassen werden. Nach dem gemeinsamen Mittagessen werden in Gruppen Strategien erarbeitet, wie man den übrigen Antragstellern Nummernschilder wie SE-GX oder SE-XB andreht ("Paßt doch wunderbar zu ihrem Vornamen"), so daß diese schon zugestimmt haben, bevor sie merken, wie bescheuert das Endergebnis ist. Im Fortgeschrittenen-Kursus wird gelernt, wie man den Segebergern Nummernschilder wie SE-NIL verpaßt. Aber die Fortgeschrittenen-Kurse werden immer gestrichen - aus Kostengründen.
Brustoperationen sind an der Tagesordnung, Faceliftings nichts Besonderes mehr, künstliche Hüftgelenke fast schon Pflicht. Überall am Körper wird fröhlich herummanipuliert. Nur an einem Teil noch nicht, und das fiel mir plötzlich ein, als sich eine Erkältung auf meine Stimmbänder gelegt hatte und meine krächzende Stimme in eine Lee-Marvin-Imitation verwandelte. Die Stimme wird nicht geliftet, egal wie häßlich sie ist. Nehmen wir Verona Feldbusch. Ein süßes Fahrgestell, aber diese Stimme, dieses piepsige Getröte! Statt sich die Nase zu operieren sollte Verona sich die Stimme richten lassen. Ich stelle mir das so vor, daß bei vollem Bewußtsein operiert wird, vorzugsweise mit Laser. Der Operateur deckt alle Stimmbänder ab bis auf eins, dann darf Verona mit diesem nicht-blockierten Stimmband etwas sagen, und wenn sie piepst, dann wird dieses Stimmband vielleicht nicht gleich durchgesäbelt, aber jedenfalls stillgelegt. Dann wird weiter nach schrillen, angezickten Stimmbändern gefahndet, solange, bis die restlichen Stimmbänder einen echten Wohlklang zustandebringen. Ein kleiner Schnitt für Verona Feldbusch, aber ein großer Schritt für die fernsehende Nation. Eine Erfindung, die Perspektiven schafft: Die BEE GEEs könnten auf diese Weise problemlos ihre Fistelstimmen loswerden und alle würden jauchzen und frohlocken. Tja, schon wieder hat Pöhlsi mit einer nutzenbringenden Innovation Arbeitsplätze und zufriedene Mitmenschen geschaffen.
Es gibt Leute, die mit anderen gnadenlos ins Gericht gehen, die an anderen kein gutes Haar lassen und anderen gegenüber hyperkritisch sind. Dazu gehört Wiglaf Droste, der in seinen Kurztexten auf alles und jeden eindrischt, der ihm unter die Finger kommt. Dieses Eindreschen ist durchaus amüsant zu lesen, zumal die verbale Verpackung teilweise recht originell ist. Aber es ist ja auch immer interessant, anderen bei einer Prügelei zuzuschauen, solange man nicht selbst beteiligt ist. Mir bereitet es immer einen besonderen Genuß, wenn ich den Oberkritikern selbst Fehler nachweisen kann. Denn wer anderen gegenüber den gnadenlosen Besserwisser heraushängen läßt, sollte an sich selbst perfekt sein - es sei denn, er ist auch selbstkritisch und betont hin und wieder, daß er selbst natürlich nicht perfekt sei.
Ein hübsches Fehlerchen, das Droste anderen nur so um die Ohren gefetzt hätte, findet sich in seinem Sammelband "Begrabt mein Hirn an der Biegung des Flusses". Dort spricht Droste von Rauchwaren, vermutlich in der irrigen Annahme, er habe sich damit ein schönes Synonym für Tabakwaren gegriffen. Ein Blick in den Duden hätte Droste eines Besseren belehrt: Rauchwaren sind Pelzwaren - und die hat er nun weiß Gott nicht gemeint. Vielleicht sollte Droste von "Räucherwaren" sprechen, dann wäre die Verwirrung perfekt.
P.S.: Ein alter Duden sagt, dass man umgangssprachlich auch "Rauchwaren" für Tabakwaren sagen kann - Wiglaf, ich nehme alles zurück.